Deutscher Evangelischer Verband
für Altenarbeit und Pflege e.V.

Kurzbericht Politik-Talk 113c: Nach dem Applaus endlich mehr Kolleg*innen?

Beim digitale Politik-Talk zu § 113c diskutierten am 17.01.2023 Udo Diel vom MAGS NRW, Dr. Martin Schölkopf vom BMG, Dr. Heinz Rothgang von der Universität Bremen, und die Vorsitzenden der Fachverbände EVA, Marc Schué, und DEVAP, Wilfried Wesemann. Der Mitschnitt ist hier abrufbar.

Steigende Anforderungen mit zu wenigen Kolleg*innen, so kann die Entwicklung in der stationären Pflege in den vergangenen Jahren verkürzt auf den Punkt gebracht werden. Die von der Wissenschaft mit dem sogenannten Rothgang-Gutachten 2019 vorgeschlagene Personalbemessung wurde 2020 ins Pflegeversicherungsgesetz aufgenommen und am 01.07.2023 soll es losgehen. § 113c SGB XI verspricht eine neue, bessere stationäre Pflegewelt und die von den Pflegenden vor Ort dringend erwarteten neuen Kolleg*innen. Das sollen vor allem Assistenzkräfte in einem neuen Personalmix sein.

Eine zentrale Frage für die Umsetzung ist, wie es gelingen kann, die neuen Kolleg*innen zu finden und auszubilden. Für die Einrichtungen stellt sich die Frage, wie der neue Personalmix organisiert werden kann. Ein bedeutender Gelingensfaktor ist auch die Frage, wer das mehr an Personal bezahlen soll.

Am Politik-Talk nahmen Udo Diel, Leiter der Abteilung VI „Soziales, Pflege und Alter“ des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Dr. Heinz Rothgang, SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik der Universität Bremen, Dr. Martin Schölkopf, Unterabteilungsleiter „Pflegeversicherung“ des Bundesministeriums für Gesundheit, Marc Schué, Vorsitzender Evangelischer Verband für Altenarbeit der Diakonie RWL (EVA), Geschäftsbereichsleitung Altenhilfe der Rheinischen Gesellschaft für Diakonie, und Wilfried Wesemann, Vorsitzender Deutscher Evangelischer Verband für Altenarbeit und Pflege (DEVAP), Direktion Stiftungen Sarepta / Nazareth Stiftungsbereich Altenhilfe, teil.

Wesemann führte in der Diskussion u.a. aus, dass der DEVAP gleichwertige Lebensverhältnisse fordert und damit auch die personelle Ausstattung länderübergreifend gleich sein muss. In der Pflege gibt es schon lange einen massiven Personalmangel; dies betrifft nicht nur das Fachpersonal, sondern vor allem auch die Assistenzebene. In den Verhandlungen mit den Kostenträgern ist es aktuell nicht möglich die Personalmehrung prospektiv zu vereinbaren, dies erschwert die Umsetzung deutlich. Hierzu bittet Dr. Schölkopf um Rückmeldung an das BMG, wenn die Kostenträger die Umsetzung des § 113c SGB XI in den Verhandlungen blockieren sollten.

Die Herausforderungen in der Assistenzausbildung sind der Lehrermangel, die fehlende sozialarbeiterische Betreuung und die fehlende gesetzliche Regelung zur Praxisanleitung und deren Refinanzierung. Hier und auch bei der Gewinnung von Assistenzpersonal aus dem Ausland sind Nachbesserungen dringend erforderlich, um die Personalmehrung auch realisieren zu können.  

Prof. Rothgang moniert, dass das Umsetzungsprojekt zu § 113c leider jetzt erst anläuft, deshalb wird es für den Start im Juli 2022 noch keine konkreten Hinweise für die Umsetzung geben. Entsprechend sollten die Träger jetzt beginnen einen Ist-Zustand in ihren Einrichtungen zu erheben, um dies als Basis für künftige Veränderungen zu nutzen.

Es gibt Klärungs- und Regelungsbedarfe bei der Umsetzung des § 113c SGB XI, welche zeitnah gesetzliche Nachbesserungen erfordern (z.B. Qualifizierung Assistenz), so Dr. Schölkopf.

Zur langfristigen Finanzierung der stark steigenden Eigenanteile wurden die Forderungen aus dem DEVAP-Strategiepapier vorgestellt. Wesemann führt hierzu aus, dass ab dem 1. Tag der stationären Unterbringung für alle Pflegebedürftigen eine bundeseinheitliche und schnelle Regelung gebraucht wird, um der massiven Steigerung der Eigenanteile entgegenzuwirken. Hierzu sollten die pflegebedingten finanziellen Eigenanteile bundesweit auf einen bestimmten Betrag festgeschrieben und so ein absoluter Deckel vereinbart werden. Unabhängig von Einkommen und Vermögen wird es dadurch für alle Bürger*innen möglich, dass eigene pflegebedingte Finanzierungsrisiko planbar zu kalkulieren und Vorsorge zu treffen. Dies wäre ein echter Beitrag für gleichwertige Lebensverhältnisse.

Prof. Rothgang ergänzt, dass diese Bestrebungen von einer Vielzahl Verantwortlicher aus Politik und Praxis seit Jahren unterstützt wird. Die Leistungszuschläge nach §43c SGB XI bieten nur kurzfristige Entlastungen; es wird eine grundlegende Reform benötigt. Perspektivisch wird zudem eine datengestützte Prozesssteuerung gebraucht, um den Personalmix effektiv zu steuern und umzusetzen.

Die Veranstaltung ist unter diesem Link abrufbar.