Deutscher Evangelischer Verband
für Altenarbeit und Pflege e.V.

Digitaler Auftakt 18. contec Forum mit Speed Statement von Anna Leonhardi

Am 12.01.2022 fand der digitale Auftakt des 18. contec Forums zum Thema „Pflege 2025 – Reicht der neue Koalitionsvertrag?“ statt. Anna Leonhardi hat in einem Speed Statement die Forderungen des DEVAP zur Frage „Neue Legislatur, neues Glück? Erwartungen an die Bundesregierung für den Paradigmenwechsel in der Pflege“ platziert.

Da gestern erfreulicherweise Claudia Moll (SPD-Fraktion) zur neuen Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung benannt wurde, konnte Prof. Dr. Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister, das Grußwort nicht sprechen. Im BMG stand u.a. diese Berufung vorrangig auf der Tagesordnung. Der DEVAP hat Frau Moll bereits zu der wichtigen Aufgabe gratuliert.

Entsprechend hat Dr. Martin Schölkopf, Leiter der Unterabteilung Pflegesicherung im BMG, den Austausch mit einem Impuls aus dem BMG zur Pflege 2025 eröffnet. Wesentliche Themen im BMG sind aktuell die Sicherstellung der professionellen Pflege und die Steigerung der Attraktivität; sprich die Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens in der stationären Langzeitpflege (GVWG). Dr. Schölkopf zeigt sich mit der bisherigen Umsetzung zufrieden und denkt, dass die Pflege auf einem guten Weg zur Verbesserung der Personalausstattung ist. Ein zweiter Punkt ist die Bezahlung nach Tarif: aktuell fehlen noch die Richtlinien des GKV-Spitzenverbands zur Umsetzung, weil noch viel Fragen offen sind. Entsprechend werden die gesetzlichen Fristen nicht gehalten. Näher Informationen sichert Dr. Schölkopf für die kommende Woche zu. Die Stärkung der Kompetenzen und Verantwortungsbereiche des Pflegepersonals ist der dritte wichtige Punkt, der zeitnah umgesetzt werden soll.

Weitere wichtige Themen für die nächsten Jahre sind, laut Dr. Schölkopf, die Stärkung der Kurzzeitpflege, die Begrenzung der Eigenanteile in der stationären Pflege und weitere Maßnahmen, die im Koalitionsvertrag (KoaV) zur Verbesserung der Pflege aufgeführt werden. Zum Thema Begrenzung der Eigenanteile ist heute bereits klar, dass die bisher getroffenen gesetzlichen Maßnahmen nicht ausreichen werden, um die Steigerungen zu kompensieren. Der DEVAP hat in diesem Kontext klargestellt, dass alleine beobachten nicht reicht.

Anschließend führte Dr. Sabine Richard, AOK-Bundesverband, zum Thema „Strukturreformenjetzt: Pflege 2030“ aus und betont, dass die Absicherung der Pflege eine Generationenaufgabe ist.  Im Sinne der Generationengerechtigkeit sind die Prävention von Pflegebedürftigkeit und die Absicherung längerer Teilhabe wesentliche Ziele, um das Pflegesystem zu entlasten; auch die Einbindung der Zivilgesellschaft ist hierbei unabdingbar. Gefordert wird hierfür die Gründung einer Generationenkommission, um die gesellschaftlichen Ressourcen zu stärken und eine tragfähige Finanzierungsperspektive zu entwickeln.

Milorad Pajovic, Projektleiter Regionales Pflegekompetenzzentrum (ReKo), DAK-Gesundheit, stellte das Modellprojekt ReKo zur Verbesserung regionaler Versorgungsstrukturen vor, welches mit 10 Mio. € gefördert wurde. Konsortialführer ist die DAK-Gesundheit. Vernetzt werden hier alle Akteure vor Ort, die an der Gesundheitsversorgung und Daseinsfürsorge beteiligt sind. Das Projekt läuft bis 2023; ein Antrag auf Verlängerung läuft. Kernelemente sind die Implementierung einer Case Management Organisation und der Aufbau eines digitalen Ökosystems.

In seinem Impuls führte Patrick Weiss, Marktfeldleiter Pflegeunternehmen der contec GmbH, aus, dass die Einführung der Pflegeversicherung grundsätzlich ein Erfolgsmodell ist, welches jedoch sein Potential nicht ausschöpft. Die Sektorentrennung identifiziert er als Hauptproblem im aktuellen Pflegesystem. Im Zuge der Umsetzung des Rothgang-Gutachtens erwartet er einen deutlichen Lohnzuwachs bei den Pflegeassistenten; es bestehe die Gefahr, dass dadurch die Fachkraftausbildung nicht mehr so häufig angestrebt wird.

Zur Bedeutung der Tarifpflicht für die Kommunen erläutert Friederike Scholz, Referentin für Pflege Deutscher Städtetag, dass dies zu höheren Eigenanteilen und damit zu höheren Kosten bei der Sozialhilfe führen wird. Um Ihrer Schlüsselrolle für die lokale Infrastruktur nachzukommen, brauchen die Kommunen künftig ausreichend finanzielle Ressourcen und effektive Gestaltungs- und Steuerungsinstrumente, bei denen die lokalen Strukturen berücksichtigt werden. Das Case- und Care-Management gehört in kommunale Verantwortung, um passgenaue Hilfen zu gewährleisten.

In Speed-Statements zum Thema „Neue Legislatur, neues Glück? Erwartungen an die Bundesregierung für den Paradigmenwechsel in der Pflege“ äußerten sich im Anschluss Anna Leonhardi, Geschäftsführerin DEVAP, Grit Genster, Bereichsleiterin Gesundheitspolitik ver.di, Andreas Wedeking, Geschäftsführer VKAD, und Norbert Grote, Geschäftsführer bpa.

Fr. Leonhardi führte in ihrem Statement u.a. aus, dass der DEVAP den KoaV nur vorsichtig optimistisch gelesen hat, weil eine grundlegende Struktur- und Finanzreform weiterhin nicht angegangen. Sie verweist auf das „Strategiepapier DEVAP Altenarbeit und Pflege 2021 bis 2025“ und führt abschließend aus: „Wir brauchen ein klares Bekenntnis zur Pflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe und mutige Entscheider, die sich gemeinsam auf den Weg machen. Der DEVAP versteht sich als Teil dieser Bewegung und bringt sich weiterhin aktiv in die Diskussion und Umsetzung ein.“

Herausforderungen und Ziele des Koalitionsvertrags beleuchteten in einer anschließenden digitalen Podiumsdiskussion die Vertreterinnen der Regierungsparteien für pflegepolitische Belange Heike Baehrens, SPD, Nicole Westig, FDP, und Kordula Schulz-Asche, Bündnis 90/Die Grünen. Christine Vogler, Präsidentin Deutscher Pflegerat, war ebenfalls Podiumsgast. Erfreulicherweise wurde in der Anmoderation darauf verwiesen, dass der DEVAP mit den gesundheits- und pflegepolitischen Sprecherinnen der neuen Koalition - unter Verweis auf ein Gespräch im Oktober mit den Akteur:innen des Digitalbündnisses - bereits in gutem Austausch steht.

Die Digitalisierung ist ein wesentlicher Baustein, um Erleichterungen in der Pflege zu erreichen und Prozesse zu vereinfachen. Die im KoaV fehlenden Investitionskosten sind Landesrecht und deshalb nicht direkt auf Bundesebene benannt; die Dringlichkeit ist jedoch bekannt. Die Absicherung des unternehmerischen Wagnisses ist auf der Ebene der Rahmenvertragspartner zu regeln. Die Pflege muss künftig strukturell mit in Entscheidungsprozesse einbezogen werden, so Fr. Vogler. Auch die Kompetenzneuordnung ist unabdingbar, um die Pflege künftig sichern zu können. Es ist politischer Auftrag Gesetze zu erlassen, durch die die Pflege endlich gestärkt wird (akademisierte Pflege, Bundespflegekammer, etc.). Regionale Gesundheitskonferenzen mit Entscheidungsbefugnissen wären eine gute Möglichkeit, um das Gesundheits- und Pflegewesen vor Ort zu vernetzen und eine Stimme für die Pflege zu etablieren.

Die Podiumsgäste betonten am Ende der Diskussion, dass es in den Koalitionsverhandlungen unumstritten war, dass in der Pflege ein großer Wurf erforderlich ist. Hierfür bitten die Sprecherinnen der Parteien auch um Unterstützung der Verbände und Träger.

Den Flyer und die Präsentationen zur Veranstaltung finden Sie hier.