Deutscher Evangelischer Verband
für Altenarbeit und Pflege e.V.

DEVAP-Pressemitteilung "PUEG: Subventionierung von Pflegebedürftigkeit unzureichend und nicht zielgerichtet"

Der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege e.V. (DEVAP) äußert sich in seiner Pressemitteilung zum Referentenentwurf zum Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG):

Berlin, den 03.03.2023 „Die geplante Erhöhung im PUEG sieht vor, die Zuschläge zur Begrenzung der Eigenanteile bei vollstationärer Pflege um weitere 10 Prozent im ersten Jahr und 5 Prozent in den anderen Verweildauerstufen anzuheben. Diese weitere Subventionierung des pflegebedingten Eigenanteils ist aus mindestens zwei Gründen ungenügend“, so Wilfried Wesemann, Vorsitzender des DEVAP.

„Zum einen wird die geplante Erhöhung im Umfang nicht ausreichen, um die Betroffenen nachhaltig von den weiterhin steigenden Pflegekosten zu entlasten. Eine aktuelle Analyse der AOK Krankenkasse konnte aufzeigen, dass die Kosten der Pflege im Heim im Jahr 2022 um durchschnittlich 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sind. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend auch in den kommenden Jahren weiter fortsetzt und nicht durch die Maßnahmen des PUEG wirksam begrenzt werden kann.“, so Wesemann weiter. „Diese Ansicht vertritt auch Prof. Dr. Heinz Rothgang von der Universität Bremen. Die Wissenschaftler:innen des dortigen SOCIUM-Forschungsinstituts konnten bereits im letzten Jahr aufzeigen, dass die prozentualen Entlastungen nicht zu einer langfristigen Dämpfung der Eigenanteile führen werden. Demnach werden die vorübergehend gesenkten Eigenanteile bereits ab Herbst 2023 wieder das vorherige Niveau erreicht haben.“

„Andererseits ist auch die Orientierung des § 43c SGB XI an der Verweildauer der Heimbewohnerinnen und -bewohner zu kritisieren. Damit werden die soziale Situation und der gesellschaftliche Wandel ignoriert, die eigentlich eine passgenaue und kalkulierbare Unterstützung erfordern würden.“, so Dr. Bodo de Vries, DEVAP Vorstand und stellvertretender Geschäftsführer der Ev. Johanneswerk gGmbH.

Neue Analysen des Alters-Instituts des Ev. Johanneswerks zeigen auf, dass der Anteil der Heimbewohner:innen mit lebendem Partner mittlerweile auf 30 Prozent gestiegen ist. Zugleich weist diese Gruppe mit durchschnittlich 20 Monaten die kürzeste Verweildauer von allen Heimbewohner:innen auf. „Im Kontext des § 43c bedeutet dies: Ein zunehmender Anteil von Ehepartnerinnen und Lebenspartner verarmt parallel zum Aufenthalt ihrer Partner in der Pflegeeinrichtung, obwohl deren unterdurchschnittliche Verweildauer eine besondere Solidarität gerade dieser Personen belegt. Denn vor der Pflege im Heim wurde der oder die betroffene Partner:in häufig über viele Jahre bereits im häuslichen Setting betreut. Für diese Gruppe verpufft die prozentuale Entlastung weitgehend, weil sie im Umfang zu gering bemessen ist oder schlicht gar keine Anwendung findet.“, so Dr. de Vries weiter.

„Die deutlich höhere Entlastung im zweiten und dritten Jahr des Aufenthalts dagegen zielt vor allem auf Singles, die mit ca. 40 Monaten eine doppelt so lange Zeit in der stationären Pflege leben. Diese Personengruppe der Alleinstehenden ist aufgrund ihres langen Aufenthaltes überproportional häufiger auf Sozialhilfe angewiesen (sog. Hilfe zur Pflege), weil die eigenen finanziellen Reserven früher oder später nicht mehr ausreichen, um die nötigen Eigenanteile für die Pflege aufzubringen.“

Für Wesemann ist das nichts anderes als eine Quersubventionierung zugunsten der Kommunen: „Damit subventioniert die solidarische Pflegeversicherung den Aufenthalt einzelner Zielgruppen und entlastet im Schwerpunkt den kommunalen Leistungsträger. Staatlich betrachtet geht das Geld also von der rechten in die linke Tasche, ohne, dass die Betroffenen davon tatsächlich profitieren. Das geht an den Zielen und der Intention der Pflegeversicherung vorbei“.

Aus Sicht des DEVAP braucht es daher neben einer überfälligen Struktur- auch eine Finanzreform der Pflegeversicherung, um das System mit Blick auf den demografischen Wandel zukunftsfähig zu machen. „Aus dem Lebensrisiko Pflege ist mittlerweile auch mit Blick auf die Finanzierung von Pflege eine Gefahr für jeden Einzelnen entstanden, der auf Hilfe und Unterstützung im Alter angewiesen ist“, stellt Wesemann fest. „Aus dieser existentiellen Gefährdung muss wieder ein kalkulierbares Risiko für jeden Einzelnen werden; so, wie es mit Inkrafttreten der Pflegeversicherung 1995 auch beabsichtigt war.“ Das Ziel der Pflegeversicherung bestand bei ihrer Einführung im Jahr 1995 nämlich vor allem darin, das Risiko des Pflegefalls sozial abzusichern und für den bzw. die Durchschnittsrentner:in finanzierbar zu halten.

„Aus diesem Grund fordert der DEVAP auch in seinem „Strategiepapier Altenarbeit und Pflege 2021 bis 2025“ eine absolute Begrenzung der Eigenanteile, um den weiteren Anstieg der Kosten wirksam zu begrenzen.“, so Wesemann abschließend. „Hinzu kommt, dass wichtige im Koalitionsvertrag vereinbarte Maßnahmen zur Entlastung der Betroffenen nicht im aktuellen Referentenentwurf enthalten sind. Hierzu gehört beispielsweise, dass die sog. Ausbildungsumlage nicht mehr von den Pflegebedürftigen finanziert wird und die Behandlungspflege in der stationären Pflege zukünftig von der Krankenkasse übernommen wird. Hier sind umfassende Nachbesserungen erforderlich.“