Deutscher Evangelischer Verband
für Altenarbeit und Pflege e.V.

DEVAP-Pressemitteilung "Pflege vor dem Kollaps: Weitere Kostensteigerungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen endlich begrenzen!"

Der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege e.V. (DEVAP) äußert sich in seiner Pressemitteilung zu den aktuellen Auswertungen des Ersatzkassenverbands zur Entwicklung der Eigenanteile in der stationären Pflege:

Berlin, den 20.07.2023 „Die aktuell brisante Mischung aus steigenden Kosten und fehlenden Fachkräften bringt nicht nur viele Pflegeeinrichtungen an den Rand ihrer Existenz. Auch für die Betroffenen wird es immer schwieriger, denn die finanziellen Belastungen durch steigende Eigenanteile gehen mittlerweile weit über die Belastungsgrenzen vieler hinaus“, so Wilfried Wesemann, Vorsitzender des DEVAP. „Wir brauchen dringend ein Sofortprogramm, um die Situation für die Betroffenen zu verbessern.“

Die selbst zu zahlenden Anteile für Pflegebedürftige und ihre Familien stiegen nochmals deutlich, wie eine Auswertung des Verbands der Ersatzkassen mit Stand zum 1. Juli ergab. Im ersten Jahr im Heim waren demnach im bundesweiten Schnitt 2548 € im Monat fällig – 348 € mehr als Mitte 2022.

„Aktuelle Berechnungen des DEVAP bestätigen dies. Aufgrund von steigenden Sach- und Personalkosten ist auch weiterhin mit deutlichen Mehrbelastungen für die Betroffenen zu rechnen. Beispielhafte Berechnungen für NRW prognostizieren zeitnah einen weiteren Anstieg um 16 %. Dies kann Eigenanteile von bis zu 3.500 € zur Folge haben. Wenngleich in geringerer absoluter Höhe wird mit vergleichbaren Kostensteigerungen auch in allen anderen Bundesländern zu rechnen sein“, so Wesemann weiter.

Der DEVAP fordert ein Sofortprogramm aus fünf Maßnahmen, um dieser Entwicklung adäquat zu begegnen:

1. Eigenanteile deckeln: Die bisherige Dämpfung des Eigenanteils im § 43c SGB XI reicht nicht aus, um die Kosten wirksam zu reduzieren. Die Maßnahmen des PUEG sind zudem völlig ungeeignet und mit Blick auf die aktuelle Inflation auch unzureichend. Mindestens bedarf es, analog zu den bereits beschlossenen Deckeln für Strom und Gas, einer absoluten Deckelung der Eigenbeteiligung. Der Sockel-Spitze Tausch bietet nach wie vor die beste Chance für eine generationengerechte Ausgestaltung der finanziellen Eigenbeteiligung in der Pflege.

2. Behandlungspflege systemkonform ausgestalten: Pflegebedürftige in der stationären Pflege dürfen nicht länger zusätzlich durch die Übernahme von den Kosten für die Behandlungspflege belastet werden. So sieht es auch der Koalitionsvertrag der Ampel vor.

3. Ausbildungskosten aus Steuermitteln finanzieren: Die Finanzierung der Pflegeausbildung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und sollte nicht weiter zu Lasten der Pflegebedürftigen erfolgen. Der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung sieht vor, die Ausbildungskostenumlage aus den Eigenanteilen herauszunehmen.

4. Investitionskosten in den Ländern vereinheitlichen: Die Vereinheitlichung der Finanzierung der Investitionskosten in der stationären Pflege durch die Bundesländer wäre ein wichtiges Signal der Entlastung der Pflegebedürftigen und überdies ein wichtiger Schritt zur Umsetzung gleicher Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland.

5. Pflege generationengerecht finanzieren: Neben notwendigen Beitragserhöhungen in der Pflegeversicherung können Steuerzuschüsse, eine sinnvolle Neuordnung von sozialer und privater Pflegeversicherung sowie eine angemessene Besteuerung von Kapitalerträgen dazu beitragen, nicht nur finanzielle Löcher zu stopfen, sondern vor allem eine menschenwürdige Pflege zu ermöglichen.

„Noch nie zuvor war die Not in der Pflege größer. Wirksame Vorschläge der Verbände liegen auf dem Tisch. Die Tatenlosigkeit der Politik muss endlich ein Ende haben. Ziel aller Maßnahmen muss es sein, die existentielle Gefährdung im Pflegefall wieder auf ein für den Einzelnen kalkulierbares Lebensrisiko zurückzuführen“, so Wesemann abschließend. „Dies wird nur durch eine umfassende Finanz- und Strukturreform gelingen, die auch die Arbeitsbedingungen berücksichtigt und geeignet ist, die Versorgungssicherheit in der Pflege wiederherzustellen. Kurzfristig führt kein Weg an den dargestellten fünf Sofortmaßnahmen vorbei.“

Siehe auch:„Strategiepapier DEVAP Altenarbeit und Pflege 2021 bis 2025“