Deutscher Evangelischer Verband
für Altenarbeit und Pflege e.V.

Bericht DEVAP-Veranstaltung mit Thomas Kalwitzki zur Personalbemessung am 28.01.2022

139 Teilnehmer sind dem Vortrag von Thomas Kalwitzki, wissenschaftlicher Geschäftsführer der Abteilung Gesundheit, Pflege und Alterssicherung im SOCIUM Forschungszentrum der Universität Bremen, und der anschließenden Podiumsdiskussion mit Kalwitzki und Wilfried Wesemann, Vorsitzender des DEVAP, gefolgt. Anna Leonhardi, Geschäftsführerin des DEVAP, moderierte die Veranstaltung.

Im Impuls benannte Thomas Kalwitzki vier Nachhaltigkeitsprobleme in den Bereichen Demographie, Qualität, Personal und Finanzierung, in denen Reformbedarf besteht. Die vermutlich größte soziale Frage der 2020er Jahre ist es, genug Pflegekräfte für eine qualitativ hochwertige Pflege zu gewinnen. Die Lösung ist die nachhaltige Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufs z.B. durch die vollständige Einführung des Personalbemessungsverfahrens.

Im Folgenden führte Kalwitzki aus, wie das Personalbemessungsverfahren von der Universität Bremen entwickelt und inwieweit die Erkenntnisse bisher gesetzlich umgesetzt wurden. Das Personalbemessungsverfahren zeigt einen erheblichen Pflegekraftmehrbedarf, ganz überwiegend im Bereich von Assistenzkräften. Für eine bundesdurchschnittliche Einrichtung ergibt sich ein Mehrbedarf von

– 38 % Fachkraftzeit und

– 32 % Arbeitszeit für ausgebildete Pflegehilfskräfte mit 1- oder 2-jähriger Ausbildung.

Durch das GPVG wurden von 14 zusätzlichen Personalstellen bei einer durchschnittlichen 100-Bewohner-Einrichtung drei zusätzliche Stellen geschaffen; durch das GVWG nochmal drei Personalstellen und über die Besetzung der fehlenden acht Stellen wird erst im Jahr 2025 entschieden. Zwischen 2022 und 2025 wird eine Prüfung der letzten Stufe erfolgen. Hierzu wird es Pilotprojekte zur modellhaften Einführung geben.

Zur Wirkung der „kleinen“ Pflegereform 2021 führt Kalwitzki aus, dass die Regelungen des § 43c SGB XI nicht geeignet sind, um die Steigerungen der Eigenanteile langfristig abzufedern. Es erfolgt lediglich eine kurzfristige Reduzierung. Bereits im 3. Quartal 2023 wird die Entlastung durch die Preissteigerungen für mehr Personal und bessere Löhne aufgezerrt sein. Entsprechend sind zwingend weitere Maßnahmen zur finanziellen Entlastung der Pflegebedürftigen erforderlich, wie die absolute Begrenzung der Eigenanteile und ihrer Zahlungsdauer. Im Koalitionsvertrag ist dies zumindest angelegt.

Die Träger können bereits heute mit einer Analyse der Arbeitsabläufe in den Einrichtungen beginnen, um das Personal kompetenzgerechter einzusetzen. Ein zweiter Schritt ist eine individuelle Kompetenzanalyse als Grundlage für die Weiterentwicklung der Abläufe. Stabile Bezugspflegekonzepte sollten entwickelt werden, in denen die Assistenzpersonen stärker eigenverantwortlich eingebunden werden.

Im Fazit wirbt Kalwitzki für eine aktive Beteiligung der Träger bei der Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens und führt aus, dass dies ein (erster) Schritt zur nachhaltigen Entwicklung der Pflege ist. Die Rekrutierung und der refinanzierte Einsatz von Mehrpersonal ist (noch) keine Verpflichtungen, sondern eine Möglichkeit. Diese können die Einrichtungen nutzen, um attraktive Arbeitgeber zu werden und eine transparente, verlässliche und effiziente Arbeitsorganisation einzurichten.

Den Abschlussbericht nebst Anlagen finden Sie hier.

In der anschließenden Podiumsdiskussion führt Wilfried Wesemann aus, dass ein entscheidender Punkt ist, wie verbindlich die Pflege weiterentwickelt wird. Hier muss die Politik angemahnt werden und sich auch die Träger auf den Weg machen, um die eigenen Strukturen zu hinterfragen und zu optimieren. Weiter benennt Wesemann drei konkrete Ziele, die kurzfristig angegangen werden müssen: eine klare Begrenzung der Eigenanteile, die stärkere und verpflichtende Einbindung der Kommunen und die Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufs z.B. durch mehr Ausbildung und eine bundeseinheitliche Assistenzausbildung. Hierfür setzt sich der DEVAP auch mit seinem Strategiepapier ein.

Zur unterschiedlichen Personalausstattung in den Ländern wurde im Chat sehr intensiv diskutiert. Hr. Kalwitzki führt hierzu aus, dass es bei 13.000 Einrichtungen mit sehr heterogenen Ausstattungen klar sei, dass ein Bemessungsverfahren für alle zu unterschiedlichen Konsequenzen führt. Es greift jedoch der Bestandsschutz, so dass niemand Personal verlieren wird. Er stellt zudem klar, dass das, was im Personalbemessungsverfahren ausgewiesen wird, keine übergeordneten Stellen beinhaltet, wie z.B. die PDL, Sozialdienst, Betreuungspersonal. Die zusätzlichen Spahn-Stellen gehen jedoch im Personalschlüssel auf und werden eingerechnet.  

Kritisiert wird zudem die fehlende Unterstützung der Ministerien auf Bundes- und Landesebene bei der Umsetzung in den Einrichtungen. Hier besteht zum Teil unnötig große Unsicherheit und damit weniger Engagement bei der Umsetzung. Auch eine vollständige Refinanzierung der zusätzlichen Personalstellen durch die Kostenträger wird angemahnt. Die Krankenkassen blockieren zum Teil bereits heute entsprechende Bemühungen in Verhandlungen. 

 

Die nächsten digitale Personaldialoge zum Thema Personalbemessung mit Thomas Kalwitzki finden am 16.03.2022 mit dem Fokus auf die Region Hessen/ Rheinlad-Pfalz und am 02.05.2022 mit Fokus auf die Region Hamburg statt. Näher Informationen folgen in Kürze.